Claras Blumenalbum: Das Musikverein Festival 2025

© Stephan Trierenberg
Ein blühendes Festivalprogramm um die Themen Liebe, Freundschaft und Natur tut sich auf, wenn man eines der fragilsten Dokumente aus dem Archiv des Musikvereins öffnet: Claras Blumenalbum.

Von Joachim Reiber

11.03.2025

„Du bist wie eine Blume …“ Robert Schumann sagte es seiner Braut Clara. Er sagte es ihr durch die Blume, er sagte es ihr durch Musik. „Myrthen“ war im September 1840 sein Hochzeitsgeschenk in Liedern. Das Grün des Brautkranzes wollte er schon im Titel sehen, und das erste Lied, das er für sein Bouquet ersann, wurzelte in Heines Versen: „Du bist wie eine Blume, so hold und schön und rein …“ Doch wie reimt der Dichter weiter? „Ich schau dich an, und Wehmut schleicht mir ins Herz hinein.“ Wehmut – warum? Weil überm blühenden Glück der Schatten des Vergänglichen liegt. Blumen zeigen, wie prekär Glück und Schönheit sind – und die Liebe und das Leben vom Welken bedroht. Was bleibt? Was kann man bewahren? Die Erinnerung vielleicht, aufgehoben im Zeichen. Getrocknete, gepresste Blumen stellen sich gegen den Zug der Zeit – Blumen, wie sie Clara Schumann in Liebe gesammelt und gebunden hat.

„Claras Blumenalbum“, das Musikverein Festival 2025, führt ins Herz der Romantik und damit, ganz fraglos, auch ins Innerste der Musik. Denn wie in keiner anderen Kunst gehören hier Schönheit und Vergänglichkeit zusammen. Töne verklingen. Blüten welken. Es ist das Endliche, das sie unendlich kostbar macht. Aus dieser Nähe strebt die Musik auch hinaus in die Natur. Da sprießt und grünt es allenthalben. Beethovens „Pastorale“, Mahlers „Blumine“, ja überhaupt der ganze Mahler’sche Naturlaut, Schumanns „Frühlingssymphonie“, sein Chorwerk „Der Rose Pilgerfahrt“, all die Frühlingsstimmenwalzerseligkeit bei Johann Strauß und die vielen Blumen, die sich in Kammermusik und Lied finden – das Programm dieses Festivals ist erfüllt davon und lässt musikalisch aufblühen, was symbolisch in Claras Blumenalbum steckt.

© Stephan Trierenberg

Töne verklingen. Blüten welken. Es ist das Endliche, das sie unendlich kostbar macht.

Ein besonders anrührendes Dokument ist es – und sicherlich das zarteste, ja zärtlichste in der Brahms-Sammlung des Musikvereins. Seit 2005 zählt diese Sammlung zum Unesco-Weltkulturerbe. Wer den Musiker Johannes Brahms verstehen will, findet hier den reichsten Schatz an Autographen, Musikalien, Büchern, Werkstattdokumenten. Wer aber dem Menschen näherkommen will, dem gewährt dieses Album einen tiefen, bewegenden Blick ins Innere. „Nimm dies, mein lieber Johannes, als Gedenkbüchlein von Deiner Freundin Clara Schumann“, so schrieb sie selbst hinein, dazu das Datum: 24. Dezember 1854. Man feierte den Heiligen Abend in der Wohnung der Schumanns. Robert aber fehlte. Seit dem 4. März war er fort, auf eigenen Wunsch eingewiesen in die Privatirrenanstalt des Dr. Richarz in Endenich bei Bonn. In Begleitung von Wärtern war er dorthin gebracht worden. Clara gab ihm als Zeichen ihrer Liebe noch ein Bouquet Blumen mit. Und dann verschwand er im Schweigen. Monatelang, qualvoll lang für sie, kam kein Brief von ihm. Endlich – ein Zeichen! Im Anstaltsgarten hatte Schumann Blumen gepflückt und kryptisch bemerkt, man wisse schon, für wen sie seien. Man schickte sie an Clara, die sie gerührt als „erstes Liebeszeichen“ empfing. Blumen sollten eine Brücke zu ihm sein.

Doch zu Weihnachten 1854 gab es Blumen auch für ihn, den 21-jährigen Johannes Brahms: ein Album, in dem gepresste Blümchen, liebevoll arrangiert, bezeugen durften, wann und wo sie besonders an ihn gedacht habe. „Nimm dies, mein lieber Johannes …“ Die Gabe hatte viel zu sagen, ohne dass man’s hätte in Worte fassen müssen. Es wäre auch schlecht möglich gewesen. Freundschaft – ja, das durfte man sagen, selbstverständlich, Hilfe, Trost, Beistand, alles das. Johannes stand der Verlassenen zur Seite, auch aus Dankbarkeit gegen Robert, den väterlichen Freund, aber die Gefühle drängten weiter. „Behalten Sie mich lieb, ich liebe Sie sehr!“, solche Sätze schrieb er an Clara, und dann traute er sich, gleich im nächsten Brief, auch noch ein stürmisches Du: „Liebe mich fort wie ich Dich immer und in alle Zeiten hinaus.“ So schrieb er an sie im Juni 1855 nach Detmold, wo sie am Fürstenhof Klavierstunden und Konzerte gab. Und sie? Nur mit Mühe war sie von ihm fortgekommen. „Schlimmer Tag … wie wird mir die Trennung von Johannes schwer.“ Gleich drei der Sträußchen in Claras Blumenalbum stammen aus dieser Detmolder Zeit. Das letzte Blumenzeichen heftete sie am 10. August 1855 ein – es stammt aus Hamburg, wo Clara bei Brahms’ Eltern übernachtete.

Im September erreichte sie dann die schockierende Nachricht aus Endenich: Auf Genesung des Patienten sei nicht mehr zu hoffen. Im Juli 1856 starb Robert Schumann hinter Anstaltsmauern. Brahms war an ihrer Seite, als Clara zu dem Sterbenden nach Endenich gerufen wurde. „Ich erlebe wohl nie wieder so Ergreifendes, wie das Wiedersehen Roberts und Klaras“ – Brahms sprach aus, was ihn fürs Leben prägen sollte. „Myrthen“, das war spürbar in diesem erschütternden Moment, konnte nur einer für Clara schreiben. Ein Paar sollten die Zurückgebliebenen nicht werden – sie konnten, durften und wollten es nicht. So blieben sie in Freundschaft verbunden, Clara und Johannes, einer Freundschaft, die immer mehr war als das. Sie wussten es beide. Sie brauchten nicht mehr darüber zu reden. Wortlos vielsagend wie die Blumen war ihre Sprache, die Musik.

 

Eine Übersicht über alle Festivalkonzerte finden Sie hier.

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